Die Blockchain-Technologie hat sich spätestens seit Aufkommen der Smart Contract-Ökonomie als vielversprechende technische Infrastruktur für zahlreiche Anwendungsfälle etabliert. Insbesondere Anlageprodukte und Kapitalmarktemissionen werden inzwischen mehr und mehr über auf Blockchains implementierte Smart Contracts abgebildet und abgewickelt. Auch die Tokenisierung sog. Real-World-Assets (RWA-Token) oder von Rechten wird zunehmend umgesetzt, um die digitale Übertragung der zugrundeliegenden Werte zu ermöglichen. Eine der größten Herausforderungen blockchainbasierter Projekte besteht indessen in dem Umstand, dass sich Blockchains grundsätzlich als in sich geschlossene Netzwerke darstellen, die nicht miteinander kompatibel sind. Die Nutzung etwa von Bitcoins bzw. ihres Gegenwertes für die Interaktion mit einem auf der Ethereum-Blockchain implementierten Smart Contract ist technisch auf den ersten Blick nicht möglich. Abhilfe können in solchen Fällen sog. Token Bridges schaffen. Dabei handelt es sich um Smart Contracts, die ihren Nutzern ermöglichen, Werteinheiten aus anderen Blockchain-Infrastrukturen auf anderen Blockchains zu nutzen. Technisch funktioniert dies, indem Nutzer Kryptowährungen einer bestimmten Art an eine von der Token Bridge verwaltete Blockchainadresse transferieren, um dann im Gegenzug sog. Wrapped Token zu erhalten, die auf der Zielblockchain generiert werden und mithin dort nutzbar sind. Wrapped Token repräsentieren üblicherweise den Wert der hinterlegten Kryptowährung im Verhältnis 1:1.
Können Wrapped Token Asset-Referenced Token darstellen?
Unter MiCAR sind digitale Darstellungen von Werten oder Rechten, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können, als Kryptowerte reguliert. Diese sehr weit formulierten Anforderungen erfüllen Wrapped Token jedenfalls. Daneben kennt die MiCAR jedoch auch Spezialformen von Kryptowerten, die für Emittenten und Anbieter von Kryptodienstleistungen mit weitergehenden Pflichten verbunden sein können. Ein sog. Asset-Referenced Token (ART) liegt beispielsweise vor, wenn ein Kryptowert durch Bezugnahme auf einen anderen Wert oder ein anderes Recht oder eine Kombination davon, einschließlich einer oder mehrerer amtlicher Währungen, eine Wertstabilität zu wahren versucht. Da Wrapped Token üblicherweise den Wert eines anderen Kryptowerts im Verhältnis 1:1 abbilden, werden sie in den meisten Fällen als ART qualifizieren. Für den Emittenten der Wrapped Token kann dies insbesondere bedeuten, dass die Ausgabe des Wrapped Token nicht ohne die dafür erforderliche Zulassung nach MiCAR erfolgen darf. Zudem ist der Emittent von ART verpflichtet, eine Vermögenswertreserve anzulegen, die nach spezifisch in der MiCAR geregelten Vorgaben vorgehalten werden muss. Darüber hinaus können Anbieter von Token Bridges je nach Ausgestaltung der zugrundeliegenden Smart Contracts gegebenenfalls Erlaubnispflichten nach der MiCAR auslösen. So kann etwa die Verwahrung von hinterlegten Kryptowerten eine erlaubnispflichtige Kryptoverwahrung darstellen. Auch die Rücktransferierung hinterlegter Kryptowerte kann gegebenenfalls nach MiCAR erlaubnispflichtig sein, wenn sie an eine andere Blockchainadresse erfolgen soll als diejenige, von der aus die Kryptowerte ursprünglich in die Token Bridge eingebracht wurden.
Können Token Bridge Modelle auch unreguliert verwirklicht werden?
Anbieter von Token Bridges und Emittenten von Wrapped Token können somit weitreichenden aufsichtsrechtlichen Pflichten unterfallen. Eine Möglichkeit, diese erheblichen administrativen Belastungen zu umgehen kann gegeben sein, wenn die Token Bridge und auch die Emission der Wrapped Token soweit dezentralisiert wird, dass es an einer hinreichend verantwortlichen Person für den Betrieb der Token Bridge und der Emission der Wrapped Token fehlt. Erforderlich wäre insoweit, dass die Token Bridge vollkommen dezentral funktioniert und keine bestimmbare Person mit Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten in Bezug auf den Betrieb oder die Emission von Wrapped Token ausgestattet ist. Dann würde es an einem Adressaten für die nach MiCAR vorgesehenen aufsichtsrechtlichen Pflichten fehlen und die Token Bridge würde außerhalb des Anwendungsbereichs der MiCAR laufen können.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
Zuständiger Anwalt in unserer Kanzlei für die Beratung zur Verwirklichung einer Token Bridge und der Ausgabe von Wrapped Token ist Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London).
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