Mai 19, 2025

Descoping MiCAR – Wann greift die Bereichsausnahme für Finanzinstrumente?

Pflichten aus der EU-Verordnung über Märkte in Kryptowerten (MiCAR) ergeben sich für Marktteilnehmer regelmäßig nur dann, wenn sie eine Tätigkeit mit oder im Zusammenhang mit Kryptowerten ausführen oder deren Ausführung planen. Die Definition von Kryptowerten hat der Verordnungsgeber in der MiCAR dabei sehr weitreichend gestaltet. Kryptowerte liegen danach dem Grunde nach vor bei jeder digitalen Darstellung eines Werts oder eines Rechts, der bzw. das unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann. Dennoch sind die Vorschriften der MiCAR nicht immer anwendbar, sobald die Tatbestandsmerkmale der Kryptowerte-Definition erfüllt sind. Denn insoweit sieht Art. 2 MiCAR einige Ausnahmetatbestände vor. Eine der relevantesten Ausnahmen ordnet Art. 2 Abs. 4 lit. a) MiCAR für Kryptowerte an, die als Finanzinstrumente im Sinne von MiFID2, also der EU-Richtlinie über Märkte in Finanzinstrumenten qualifizieren. Greift der Ausnahmetatbestand, weil ein Kryptowert als Finanzinstrument im Sinne der MiFID2-Regulierung einzuordnen ist, findet die MiCAR nach der eindeutigen Formulierung in Art. 2 Abs. 4 MiCAR in ihrer Gesamtheit keine Anwendung. Doch unter welchen genauen Umständen ist ein Kryptowert als Finanzinstrument anzusehen?

ESMA mit Leitlinie zur Abgrenzung von Kryptowerten und Finanzinstrumenten

Die ESMA veröffentlichte am 17. Dezember 2024 die finale Version ihrer Leitlinien zu den Bedingungen und Kriterien für die Einstufung von Kryptowerten als Finanzinstrumente, deren Entwurf sie zuvor den Marktteilnehmern zur Konsultation gestellt hatte. Zur Veröffentlichung entsprechender Leitlinien war die ESMA nach Art. 2 Abs. 5 MiCAR verpflichtet. Im Kern gibt die ESMA den Mitgliedstaaten, zuständigen Behörden und den Marktteilnehmern auf, bei der Bewertung eines Kryptowertes im Hinblick auf eine Qualifikation als Finanzinstrument nach dem Grundsatz „Substance over Form“ zu verfahren. Danach ist für die rechtliche Einordnung des Kryptowerts nicht entscheidend, in welcher Form bzw. mit welcher Bezeichnung oder mit welchen Versprechen verbunden er am Markt erscheint, sondern vielmehr, dass die rechtliche Einordnung anhand der inhärenten Charakteristika des Kryptowerts zu erfolgen hat. Die rechtliche Einwertung soll dabei zudem auf einem technologieneutralen Ansatz beruhen, um sicherzustellen, dass Kryptowerte jeder technischen Ausgestaltung unter den Kryptowertebegriff der MiCAR fallen können, unabhängig von etwaigen zukünftigen technischen Weiterentwicklungen. Als problematisch sieht die ESMA dem Umstand an, dass der Finanzinstrumentenbegriff nicht einheitlich für die gesamte EU definiert ist, sondern lediglich in Form einer von den Mitgliedstaaten umgesetzten EU-Richtlinie ein Beispielkatalog für Finanzinstrumente existiert, so dass den Mitgliedstaaten auf nationaler Eben die Möglichkeit verbleibt, zusätzliche Kategorien von Finanzinstrumenten zu erschaffen. Beispiele nach deutschem Recht sind hier insbesondere Rechnungseinheiten und z.B. Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz. Gerade solche nationalgesetzlichen Ausprägungen von Finanzinstrumenten, aber auch hybride Kryptowerte, die mehrere Funktionen in sich vereinen, bereiten im Einzelfall Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, ob sie – wenn tokenisiert – als Kryptowert der MiCAR unterfallen oder als Finanzinstrument der MiFID-Regulierung.

Wann sieht die ESMA einen Kryptowert als Finanzinstrument an?

Anhang I Abschnitt C zur MiFID2 enthält einen Katalog von Instrumenten, die als Finanzinstrumente im Sinne der Richtlinie qualifizieren. Danach sind insbesondere übertragbare Wertpapiere, aber auch Geldmarktinstrumente, Anteile an Investmentvermögen, Optionen, Derivate und CFDs sowie Emissionszertifikate Finanzinstrumente im Sinne von MiFID2. Im Kern erwartet die ESMA von den zuständigen Aufsichtsbehörden und den übrigen Rechtsanwendern im Sinne des „Substance over Form“-Ansatzes, dass sie bei der Prüfung der Einordnung eines Kryptowerts als übertragbares Wertpapier überprüfen, ob das betreffende Instrument an den Kapitalmärkten handelbar ist, kein Zahlungsinstrument darstellt und zudem seiner Gattung nach austauschbar ist und wertpapierähnliche Rechte verkörpert wie es üblicherweise bei Aktien, Schuldtiteln und sonstigen Wertpapieren der Fall ist. Die Handelbarkeit ist dabei gegeben, sofern der Kryptowert frei gehandelt und übertragen werden kann. Als Zahlungsinstrument gelten nach der ESMA-Leitlinie Kryptowerte, die als Tauschmittel verwendet werden. Mit Kryptowerten verbundene Stimmrechte sollen nur dann als wertpapierähnlich gelten, wenn sie eine echte Mitbestimmung im Hinblick auf unternehmerische Entscheidungen (z.B. Wahl des Vorstands, Freigabe von Transaktionen o.ä.) ermöglichen, nicht hingegen, wenn sie lediglich dazu berechtigen, an Abstimmungen zu technischen Aspekten, Protokoll-Upgrades oder Gebührenanpassungen teilzunehmen. Für hybride Kryptowerte, die sowohl die Eigenschaften eines Finanzinstruments erfüllen, daneben aber auch andere Funktionen wie beispielsweise eine Zugangsberechtigungsfunktion haben, soll die Finanzinstrumenteneigenschaft des betreffenden Instruments nach der ESMA-Leitlinie vorgehen.

Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)

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