Die neue Markets in Crypto Assets Regulation (MiCAR) wird künftig nicht nur Emittenten, Anbieter und Dienstleister im Kryptomarkt mit aufsichtsrechtlichen Erlaubnispflichten und Transparenzvorgaben belegen. Vielmehr wird die MiCAR für den europäischen Kryptomarkt auch eine umfassende Marktmissbrauchsregulierung einführen, um für Fairness und Chancengleichheit beim Handel mit Kryptowerten in der EU zu sorgen. Zur Sicherstellung einer funktionierenden Marktmissbrauchsprävention werden künftig Personen, die beruflich Geschäfte mit Kryptowerten vermitteln oder ausführen, über Art. 92 MiCAR zur Implementierung wirksamer Vorkehrungen, Systeme und Verfahren für die Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch verpflichtet. In der Europäischen Kryptoszene entbrannte in diesem Zusammenhang nun eine Diskussion darüber, ob diese neue Pflicht nach der MiCAR ein faktisches Verbot sogenannter MEV Aktivitäten bedeuten könnte. Die Abkürzung MEV steht im Kryptobereich für den „Maximal Extractable Value“ und ist insbesondere im Bereich des sogenannten Transaction Ordering von Relevanz. Hierbei können Marktteilnehmer über den Einsatz von als Flashbots bekannten Tools nach besonders lukrativen Transaktionen suchen und sie direkt an Validatoren zur Transaktionsbestätigung übermitteln, ohne dass die Transaktion zuvor in den öffentlichen, für alle Validatoren zugänglichen Transaktionsmempool aufgenommen wurde. Für Validatoren bedeutet die Versorgung mit MEV Transaktionen durch Flashbots einen erheblichen Wettbewerbsvorteil auf der Jagd nach Blockrewards.
Art. 92 MiCAR ist keine Verbotsvorschrift
Zunächst muss klargestellt werden, dass es sich bei Art. 92 MiCAR nicht um eine Verbotsvorschrift handelt. Vielmehr dient die Vorschrift dazu, Vermittler und Ausführer von Geschäften über Kryptowerte zur effektiven Mithilfe bei der Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauchsfällen zu verpflichten. Stellen nach Art. 92 MiCAR verpflichtete Marktteilnehmer fest, dass sich im Rahmen ihrer Geschäftsaktivität begründete Anhaltspunkte für Marktmissbrauch ergeben, müssen sie dies der in ihrem Sitzland zuständigen Behörde unverzüglich melden. Regulatorischer Inhalt der Vorschrift ist damit neben der Pflicht zur Schaffung der Voraussetzungen, um im eigenen Geschäftsbetrieb Missbrauchsfälle erkennen zu können eine Meldepflicht. Ein Verbot des Betriebs eines Flashbots oder einer Mitwirkung an MEV Transaktionen oder Transaction Ordering ordnet Art. 92 MiCAR demgegenüber nicht an. Ob die Vorschrift für Betreiber von Flashbots dennoch relevant sein kann, wird jeweils von der konkreten Ausgestaltung der Geschäftsaktivität des betroffenen Markteilnehmers abhängen. So trifft die Pflicht nach ihrem Wortlaut nur Vermittler und Ausführer von Geschäften über Kryptowerte. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der Betrieb von Flashbots bzw. die dadurch ermöglichte Übermittlung einer Transaktion an einen Validator zur Bestätigung und Aufnahme in einen Block der zugrundeliegenden Blockchain eine von Art. 92 MiCAR erfasste Aktivität sein kann. Der Wortlaut bezieht sich insoweit auf Geschäfte über Kryptowerte. Die Tätigkeit eines Flashbotbetreibers ist hingegen auf die Bereitstellung einer unbestätigten Transaktion an einen Validator ausgerichtet und nicht auf die Vermittlung eines Geschäfts über Kryptowerte oder die Ausführung einer Kryptotransaktion selbst. Die unmittelbare Anwendung von Art. 92 MiCAR auf Betreiber von Flashbots ist jedenfalls nach dem Wortlaut der MiCAR deshalb eher fernliegend, auch wenn es stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles ankommen wird.
ESMA könnte Klarheit zu MEV und Transaction Ordering unter MiCAR bringen
Die MiCAR verpflichtet die ESMA zur Erarbeitung regulatorischer technischer Standards (RTS) auch zur Auslegung von Art. 92 MiCAR. Ein erster Entwurf soll im ersten Quartal 2024 zur öffentlichen Konsultation gestellt werden. Die finale Fassung muss die ESMA bis zum 30. Dezember 2024 an die EU-Kommission übermitteln. In den RTS könnte sich die ESMA auch zur Behandlung von MEV sowie Flashbots und Transaction Ordering im Anwendungsbereich der Missbrauchsregulierung für den Kryptomarkt durch die MiCAR äußern. Würden dann MEV Aktivitäten in bestimmten Konstellationen potenziell als Missbrauchsaktivitäten eingestuft werden, könnte Art. 92 MiCAR Vermittler von Geschäften über Kryptowerte und Validatoren gegebenenfalls dazu verpflichten, Vorkehrungen, Systeme und Verfahren im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs zu implementieren, um wirksam Marktmissbrauchsaktivitäten erkennen und den zuständigen Behörden melden zu können. Die Betreiber von Validatoren würden so durch MiCAR Adressaten aufsichtsrechtlicher Compliancepflichten werden. Ein pauschales Verbot von Transaction Ordering, MEV Aktivitäten oder des Einsatzes von Flashbots folgt aus Art. 92 MiCAR demgegenüber nicht.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
Zuständiger Anwalt für die Beratung zur Marktmissbrauchsregulierung nach der MiCAR in unserer Kanzlei ist Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London).
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