Im BaFin Journal von April 2019 hat sich die BaFin in einem Fachartikel zur generellen aufsichtsrechtlichen Einordnung von Security Token geäußert. Security Token, also alle Token, die dem Token-Inhaber aktienähnliche beziehungsweise mitgliedschaftliche Rechte oder vermögensmäßige Bezugsrechte gewähren und dabei frei handelbar sind, sollen künftig nach der Auffassung der BaFin ein Wertpapier sui generis darstellen und aufsichtsrechtlich anders behandelt werden, als es der Gesetzeswortlaut vorsieht. Der unterscheidet zwischen Wertpapieren auf der einen Seite, die ohne Einschränkungen übertragbar und damit frei am Kapitalmarkt handelbar sind und Vermögensanlagen auf der anderen Seite, denen diese freie Handelbarkeit fehlt, wie es beispielsweise bei GmbH-Anteilen, nicht verbrieften Genussrechten oder einzelvertraglichen Nachrangdarlehen der Fall ist. Die Konkretisierung der Verwaltungspraxis ist ein weiteres Beispiel für die Tendenz der BaFin, ihre Kompetenzen als Exekutivorgan gefährlich weit zu überschreiten und faktische Pflichten für Emittenten zu schaffen, die keine gesetzgeberische Grundlage haben.

WAS SIND DIE ARGUMENTE DER BAFIN?

Der BaFin ist zumindest insoweit zuzustimmen, als dass die Regulierung neue Antworten auf neue Phänomene geben muss, um den Anforderungen einer modernen Aufsicht gerecht werden zu können und die wichtigsten Zwecke der Regulierung – Anlegerschutz und Finanzmarktstabilität – weiterhin erfüllen zu können. Die Behörde sah sich daher offenbar dazu veranlasst, schnell zu handeln und seine Verwaltungspraxis in Bezug auf Security Token Offerings anzupassen. Das zentrale Argument der BaFin für die Erschaffung einer eigenen Wertpapiergattung für Security Token ist dabei, dass die freie Handelbarkeit eines Kapitalmarktprodukts deutlich erhöht wird, wenn es auf einer Blockchain abgebildet wird und damit direkt und unmittelbar zwischen dem Emittenten, Anlegern, Börsen und sonstigen Intermediären übertragbar wird. Die Schaffung einer eigenen Wertpapierart für Security Token sieht sie zusätzlich gedeckt durch den von der European Securities and Markets Authority (ESMA) geprägten Grundsatz „Substance over Form“. Dieser Grundsatz sagt allerdings nur aus, dass nicht die namentliche Bezeichnung eines Kapitalmarktprodukts, sondern seine inhaltliche Ausgestaltung für seine aufsichtsrechtliche Einordnung entscheidend ist. Der „Substance over Form“ Grundsatz kann aber natürlich nicht umgekehrt rechtfertigen, dass inhaltlich als Vermögensanlagen ausgestaltete Kapitalmarktprodukte als Wertpapiere eingeordnet werden.

IST DIE VERWALTUNGSPRAXIS DER BAFIN RECHTLICH ZU BEANSTANDEN?

Die neue aufsichtsrechtliche Herangehensweise der BaFin wirft zwei wesentliche Probleme auf. Zum einen verstößt sie gegen den rechtstaatlichen Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem Behörden wie die BaFin als die staatliche Exekutive die vom Gesetzgeber gemachten Regeln ausführen sollen. Ihnen steht dabei zwar ein gewisses Auslegungsermessen hinsichtlich der Gesetze zu. Sie sollen sich in ihrer Rechtsauffassung aber nicht so weit verselbständigen, dass sie ihre Aufgaben im Widerspruch zu den geltenden Gesetzen ausführen. Insofern könnte auch der Grundsatz „Substance over Form“ selbst dann die Verwaltungspraxis der BaFin nicht rechtfertigen, wenn es nur um eine irreführende namentliche Bezeichnung eines Kapitalmarktproduktes ginge, da auch die ESMA kein Gesetzgeber, sondern eine Behörde ist.

Darüber hinaus birgt die Verwaltungspraxis der BaFin auch für STO Emittenten rechtliche Risiken. Denn es ist nicht gesagt, dass auch Zivilgerichte, sollten Sie beispielsweise in Prospekthaftungsprozessen einmal über die Einordnung von Security Token als Wertpapier oder Vermögensanlage entscheiden müssen, die Auffassung der BaFin mittragen werden. Sie könnten bereits mit dem Gewaltenteilungsargument und dem einfachen Gesetzeswortlaut eine abweichende Rechtsauffassung vertreten, so dass der STO Emittent der Gefahr ausgesetzt wäre, für das öffentliche Angebot seines inhaltlich als Vermögensanlage ausgestalteten Security Tokens keinen erforderlichen Vermögensanlagenprospekt veröffentlicht zu haben.

KANN ES AB JETZT KEINE TOKENISIERTEN VERMÖGENSANLAGEN MEHR GEBEN?

Die Verwaltungspraxis der BaFin führt jedoch nicht automatisch dazu, dass es in Zukunft keine als vollwertige Vermögensanlagen ausgestaltete Security Token mehr geben kann. Denn auch nach der von der BaFin vertretenen Auffassung ist das zentrale Argument die freie Übertragbarkeit. Die lässt sich jedoch auch rechtlich einschränken. Security Token beispielsweise, die nicht ohne die vorherige Zustimmung des STO Emittenten wirksam übertragen werden können, sollten deshalb selbst nach der neuen Verwaltungspraxis der BaFin zwingend als Vermögensanlage einzuordnen sein. Für STO Emittenten kann die Ausgestaltung ihres Security Token Offerings als Vermögensanlage durchaus Vorteile haben, wenn sie eine rein nationale Emission planen und einen Vertrieb auch von freien Kapitalanlagevermittlern ohne BaFin Zulassung ermöglichen wollen.

Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)

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