Tokenisierung ist das aktuelle Topthema im Kapitalmarkt und mit der Absegnung der ersten Security Token Offerings durch die nationalen Aufsichtsbehörden auch in vollem Gange. In Deutschland hat die für die Kapitalmarktaufsicht zuständige BaFin bis dato bereits zwei Wertpapierprospekte für Security Token Offerings gebilligt und es ist nur eine Frage der Zeit bis weitere folgen. Allerdings waren die bisher gebilligten Projekte jeweils Emissionen von blockchainbasierten Schuldverschreibungen, die den Anlegern Rendite- und Rückzahlungsversprechen gewähren. Doch wäre es auch möglich, Aktien über eine Blockchain Lösung auszugeben? So könnten Anleger nicht nur wirtschaftlich über Zinsversprechen an dem Geschäftserfolg der emittierenden Gesellschaft mitverdienen, sondern als Aktionäre auch direkt durch Ausübung ihres Stimmrechts in der Hauptversammlung mitbestimmen. Solche Equity Token würden die Anleger zu Gesellschaftern der ausgebenden Gesellschaft machen. Aber könnten Aktien nach deutschem Recht als Blockchain Token ausgegeben werden?
MÜSSEN AKTIEN IN DEUTSCHLAND IN PAPIERFORM AUSGEGEBEN WERDEN?
Nach deutschem Recht müssen Aktien nicht zwangsläufig in Papierurkunden ausgegeben werden. Namensaktien können auch gänzlich ohne eine Verbriefung erschaffen und bei der Gründung einer Aktiengesellschaft durch eine entsprechende Erklärung der Aktionäre im Gesellschaftsvertrag übernommen werden. Um von der Aktiengesellschaft als Namensaktionär anerkannt zu werden ist Voraussetzung, dass der neue Aktionär anstelle des Veräußerers mit Namen, Anschrift, Geburtstag, Anzahl der gehaltenen Aktien und der laufenden Nummern der gehaltenen Aktien in das von der Aktiengesellschaft zu führende Aktienregister eingetragen wird. Nur dann kann er seine Aktionärsrechte gegenüber der Aktiengesellschaft mit Rechtswirkung geltend machen. Inhaberaktien hingegen sind Aktien, bei denen die Rechte aus der Aktie unmittelbar durch den jeweiligen Inhaber geltend gemacht werden können. Auf den Inhaber lautende Aktien können nur ausgegeben werden, wenn die Ansprüche der Aktionäre auf Einzelverbriefung im Gesellschaftsvertrag der Aktiengesellschaft ausgeschlossen worden sind und eine einzelne Sammelurkunde zu den ausgegebenen Aktien existiert, die entweder bei einer Wertpapiersammelbank nach dem Depotgesetz, einem zugelassenen Zentralverwahrer (CSD) oder einem vergleichbaren ausländischen Wertpapierverwahrer verwahrt wird. Entscheidend für die Frage, ob Inhaberaktien in Form von Equity Token ausgegeben werden können ist daher, ob die erforderliche Sammelurkunde zwangsläufig eine Urkunde in Papierform sein muss.
WAS IST EINE SAMMELURKUNDE?
Das Depotgesetz definiert Sammelurkunden als Wertpapiere, die mehrere Rechte verbriefen, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten. Der Wortlaut dieser Definition lässt kaum Spielraum für digitale Lösungen, da das Gesetz von Verbriefung spricht und Verbriefungen ohne Papierdokumente nur schwer vorstellbar sind. Würde das Gesetz hier von einer Darstellung oder Repräsentation von Rechten sprechen, wäre diese nach dem fiktiven Wortlaut in Form von Smart Contract Token auf einer Blockchain zumindest nicht grundsätzlich ausgeschlossen. An einer Sammelurkunde in Papierform führt daher nach aktuellem Stand im deutschen Recht kein Weg vorbei. Inhaberaktien in Form von ausschließlich virtuellen Blockchain Token sind darum nicht darstellbar.
KÖNNTE ES NAMENSAKTIEN ALS EQUITY TOKEN GEBEN?
Unverbriefte, also nicht in Papierurkunden verkörperte Namensaktien können nach deutschem Recht über eine einfache Abtretung und damit praktisch per Handschlag an den neuen Aktionär übertragen werden. Soweit also ein Smart Contract auf einer Blockchain eine Übertragung von Token durch Abtretung abbilden kann, ist eine Ausgabe von Equity Token in Form von unverbrieften Namensaktien generell möglich. Als Aktionär gilt bei unverbrieften Namensaktien gegenüber der Aktiengesellschaft aber nur, wer in das Aktienregister der Gesellschaft eingetragen ist. Sinnvoll wäre daher, wenn der Smart Contract nicht nur die Ausgabe und Übertragung der Token abwickeln, sondern zudem automatisch das Aktienregister auf der Blockchain führen würde. Problematisch würde in diesem Zusammenhang jedoch das Recht des ehemaligen Aktionärs auf Löschung seiner personenbezogenen Daten aus dem Aktienregister werden, da eine vollständige Löschung von einmal in die Blockchain eingetragenen Daten technisch nicht möglich ist. Dieses auch im Kontext der europäischen Datenschutzgrundverordnung kontrovers diskutierte grundsätzliche Problem der Löschung von Daten aus einer Blockchain erschwert somit auch die Führung eines blockchainbasierten Aktienregisters für unverbriefte Namensaktien.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
Newsletter abonnieren