Die EU-Verordnung Nr. 1286/2014 (PRIIPs-VO) verpflichtet seit mehr als einem Jahrzehnt Emittenten und Anbieter von verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukten zur Erstellung, Veröffentlichung und Bereitstellung von Basisinformationsblättern (PRIIPs-KID). Das Basisinformationsblatt soll Retailanlegern einen übersichtlichen und gut verständlichen Überblick über das zugrundeliegende Anlageprodukt verschaffen. Es darf deshalb nicht länger als drei DIN A4 Seiten lang sein und muss die wesentlichen, von der PRIIPs-VO vorgeschriebenen Kerninformationen sowie Warnhinweise enthalten. Die Rechtsform des Anlageprodukts spielt dabei grundsätzlich keine Rolle, weshalb ein PRIIPs-KID für Emissionen sowohl von Wertpapieren, als auch beispielsweise von Anteilen an Investmentvermögen oder Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) zu erstellen sein kann, solange das Produkt Retailinvestoren angeboten werden soll. Auch grundsätzlich unregulierte Anlageprodukte können der PRIIPs-VO unterfallen, sofern das Produkt deren Anforderungen an ein verpacktes Anlageprodukt oder Versicherungsanlageprodukt erfüllt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob auch Emittenten von Kryptowerten verpflichtet sein können, ein Basisinformationsblatt für eine Token-Emission zu erstellen, zumal der Verordnungsgeber der PRIIPs-VO im Jahre 2014 sicher nicht die erst seit Ende 2024 geltende MiCAR vor Augen hatte.
Prospektpflichten nach anderen Vorschriften sind für Anwendbarkeit der PRIIPs-VO irrelevant
Der Umstand, dass Emittenten und Anbieter von Anlageprodukten nach anderen Vorschriften wie etwa der Prospektverordnung, dem KAGB oder dem VermAnlG verpflichtet sein können, Prospekte oder sonstige Dokumentationen zu ihren Produkten zu erstellen und zu veröffentlichen, ist für die Frage der Anwendbarkeit der PRIIPs-VO grundsätzlich ohne Bedeutung. Die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung eines Basisinformationsblattes kann daher auch neben der Pflicht zur Prospekterstellung bestehen, sofern das betreffende Anlageprodukt die Voraussetzungen der PRIIPs-VO erfüllt. Das Vorliegen eines verpackten Anlageprodukts für Kleinanleger im Sinne der PRIIPs-VO erfordert nach Art. 4 Abs. 1 PRIIPs-VO insbesondere, dass der dem Kleinanleger rückzuzahlende Betrag Schwankungen unterliegt, die sich aus der Entwicklung von Referenzwerten ergeben, die nicht direkt vom Kleinanleger erworben werden. Relevant sind hier nach der Verwaltungspraxis der BaFin nur externe Referenzwerte wie beispielsweise der Wert von Edelmetallen, Anlageprodukten von Drittanbietern oder Kryptowerten. Interne Referenzwerte wie z.B. emittenten- oder konzernbezogene Gewinnkennzahlen wie etwa der Gewinn nach Steuern oder das EBITDA führen demgegenüber nicht zum Vorliegen eines PRIIP. Nach diesen Grundsätzen können grundsätzlich auch Kryptowerte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 MiCAR als PRIIP qualifizieren, sofern sie an Retailinvestoren vertrieben werden sollen und sie eine Rückzahlung an den Investor vorsehen, deren Höhe von einem externen Referenzwert abhängig ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Eine Rückzahlung im Sinne der PRIIPs-VO nicht nur echte Rückzahlungsansprüche am Ende einer Laufzeit, sondern auch Zinsen oder sonstige Rückflüsse aus dem Anlageprodukt während der Inhaberschaft sein können.
PRIIPs-KID und Kryptowerte-Whitepaper bei bestimmten Kryptowerten denkbar
Erfüllt ein Kryptowert die dargestellten Anforderungen, können der Emittent und auch die Personen, die zu dem Kryptowert beraten oder ihn verkaufen dazu verpflichtet sein, ein PRIIPs-KID zu erstellen, es zu veröffentlichen und es dem Anleger rechtzeitig vor Zeichnung bereitzustellen. Die Pflichten aus der PRIIPs-VO sind dann neben den Pflichten aus der MiCAR anwendbar, so dass neben der Erstellung des PRIIPs-KID auch die Erstellung und Veröffentlichung eines Kryptowerte-Whitepapers erforderlich sein kann. Der Emittent eines Kryptowerts muss deshalb beide EU-Verordnungen bei der Planung seiner Token-Emission berücksichtigen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, die weiteren Pflichten aus der PRIIPs-VO und der MiCAR zu beachten, die für Emittenten und Anbieter im Bereich der Werbemaßnahmen und Marketingmitteilungen für das Angebot des Anlageprodukts bzw. des Kryptowerts strenge Vorgaben machen. Keine werbliche Aussage darf den Angaben im PRIIPs-KID oder im Kryptowerte-Whitepaper relativieren oder ihr wiedersprechen. Es ist deshalb von erheblicher Bedeutung, im Fall der Anwendbarkeit der PRIIPs-VO bei einer Token-Emission auf Kongruenz von Kryptowerte-Whitepaper nach MiCAR und Basisinformationsblatt nach PRIIPs-VO zu achten.
Rechtsanwalt Dr. Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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