Grundsätzlich gibt es für Unternehmen verschiedenste Möglichkeiten, Kapital zu beschaffen. Das Bankdarlehen als Weg der Fremdkapitalaufnahme und die Ausgabe von Aktien als Eigenkapitalinstrument sind hier wohl als die klassischen Vorgehensweisen zu benennen. Soll die Kapitalaufnahme nicht über ein Bankdarlehen, sondern durch die Ausgabe von Wertpapieren wie z.B. durch in Genussscheinen verbriefte Genussrechte oder in tokenisierten Anleihen oder auch in Aktien geschehen, so sind bei einem öffentlichen Angebot an Kleinanleger grundsätzlich Prospektpflichten durch die Emittentin zu beachten. Diese ergeben sich in der Europäischen Union vorrangig aus der EU-Prospektverordnung (EU) 2017/1129 und den flankierenden Begleitverordnungen. In der EU-Prospektverordnung ist seit dem in Kraft treten der Verordnung am 21. Juli 2019 auch der EU-Wachstumsprospekt als Wahlmöglichkeit der Dokumentation für bestimmte Emissionen vorgesehen. Der EU-Wachstumsprospekt verspricht sowohl inhaltliche Erleichterungen als auch einen geringeren Umfang im Vergleich zu einem „normalen“ Prospekt und damit grundsätzlich auch geringere Kosten bei der Erstellung des Prospektes. Aber wer kann diese Erleichterungen in Anspruch nehmen und was muss inhaltlich angegeben werden?

Wachstumsprospekt richtet sich nicht nur an KMUs

Grundsätzliche Voraussetzung für die Möglichkeit der Erfüllung der Prospektpflicht durch einen EU-Wachstumsprospekt ist immer, dass noch keine Wertpapiere des betreffenden Emittenten zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. Ist diese Voraussetzung erfüllt können Emittenten diesen Prospekt zur Erfüllung ihrer Prospektpflichten wählen, wenn sie in eine der nachfolgenden Kategorien fallen. Zunächst werden Fälle erfasst, in denen es sich bei der Emittentin um ein kleines und mittelständisches Unternehmen (KMU) handelt. Aber auch unabhängig von der Qualifikation als KMU kann der EU-Wachstumsprospekt für ein öffentliches Angebot dann genutzt werden, wenn die Wertpapiere der Emittentin nur eine begrenzte Marktkapitalisierung haben. Daneben sind die Regelungen über den Wachstumsprospekt auch dann anwendbar, wenn die Emission einen Gesamtgegenwert in der EU über einen 12-Monatszeitraum von höchstens EUR 20 Mio. hat und keine Wertpapiere des Unternehmens an einem MTF gehandelt werden und die Emittentin im letzten Jahr nicht mehr als 499 Beschäftigte hatte. Weiterhin kommt der Wachstumsprospekt in Betracht, wenn die Aktien der Emittentin bereits an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt werden bzw. die Emittentin einen entsprechenden Antrag gestellt hat und der Gesamtwert der zwei folgenden Positionen unter EUR 200 Mio. liegt: (i) der Preis des endgültigen Angebots oder der Höchstkurs; (ii) die Gesamtzahl der unmittelbar nach dem öffentlichen Aktienangebot im Umlauf befindlichen Aktien berechnet entweder auf der Grundlage der Menge der öffentlich angebotenen Aktien oder der Höchstmenge der öffentlich angebotenen Aktien. Darüber hinaus können auch Anbieter von Wertpapieren, welche von Unter eine der ersten beiden Kategorien fallenden Emittenten begeben wurden von den Regelungen zum EU-Wachstumsprospekt profitieren. Es können also nicht nur KMUs von dem EU-Wachstumsprospekt Gebrauch machen.

Welche Inhaltlichen Erleichterungen gibt es?

Inhaltlich orientiert sich diese Prospektart stark an dem alten KMU-Prospekt. Jedoch wurden hier vom Europäischen Verordnungsgeber weitere Verschlankungen vorgenommen. So sind z.B. keine Angaben mehr zur Unternehmensgeschichte, den Beschäftigten, den Wettbewerbern und den Geschäftsführungspraktiken  zu machen. Weiterhin gibt es Erleichterungen in Bezug auf die Darstellung der Geschäfts- und Finanzlage der Emittentin. Das spezielle Registrierungsformular für den EU-Wachstumsprospekt sieht vor, Finanzinformationen einschließlich wesentlichen Leistungsindikatoren (KPIs) und Abschlüsse für ein Jahr bei Anleihen bzw. zwei Jahre bei Aktien aufzunehmen. Insgesamt ergibt sich somit eine erhebliche Erleichterung in Bezug auf den Umfang bei der Erstellung eines EU-Wachstumsprospektes im Vergleich zu einem „normalen“ Prospekt. Diese Erleichterung sollte sich auch in den Kosten zur Erstellung des Prospektes niederschlagen, so dass Unternehmen für die diese Form des Prospektes in Frage kommt hier einen echten Anreiz zur Nutzung des EU-Wachstumsprospektes haben.

Rechtsanwalt Dr. Konrad Uhink

I.  https://fin-law.de

E. info@fin-law.de

Zuständiger Anwalt für Fragen zu Wertpapieremissionen und Finanzierung in unserer Kanzlei ist Dr. Konrad Uhink.