Dezentralität war eines der Hauptanliegen der Verfasser des Bitcoin Whitepapers im Jahr 2008. Das System Bitcoin sollte Zahlungen direkt zwischen den Teilnehmern ohne Zwischenschaltung einer Bank oder sonstigen Zahlungsdienstleisters ermöglichen. Während es die Möglichkeit der direkten peer-to-peer Zahlungen im Anwendungsfall als Zahlungsmittel bei allen Kryptowährungen gibt, hat sich der Handel mit Kryptowährungen von Beginn an zentralistisch entwickelt. Der Großteil aller Kryptotransaktionen erfolgt über Kryptotauschbörsen, die Kauf- und Verkaufinteressen hinsichtlich Kryptowährungen als zentrale Instanz zusammenbringen. Aufsichtsrechtlich kann es sich bei den Kryptobörsen je nach Funktionsweise im Einzelfall um Betreiber multilateraler Krypto Handelssysteme oder auch um Krypto Wechselstuben oder Kryptobroker handeln. Der Betrieb einer zentralen Kryptobörse ist in Deutschland ein reguliertes Geschäft, für das der Betreiber eine BaFin Erlaubnis benötigt.
WAS IST EIN DECENTRALIZED EXCHANGE?
Decentralized Exchanges (Dex) unterscheiden sich von zentralistischen Kryptobörsen dadurch, dass die Kryptowährungen der Nutzer nicht bei einem zentralen Tauschbörsenbetreiber gehalten und verwahrt werden, um über die Plattform zustande gekommene Trades abzuwickeln. Nutzer bekommen stattdessen die Möglichkeit, die über einen Decentralized Exchange zustande gekommenen Trades unmittelbar aus einer eigenen Blockchain Adresse abzuwickeln. Dazu interagieren sie mit einem als dezentrale App (dApp) funktionierenden smart contract, der die Parteien des Trades automatisiert zusammenbringt und für die Abwicklung des Tauschgeschäfts sorgt. Die Tauschparteien transferieren ihre Kryptowährungen dann an eine Blockchain Adresse des smart contracts, statt sie wie im Fall von zentralen Krypto Exchanges an eine vom Exchange Betreiber kontrollierte Blockchain Adresse zu senden. Sobald der smart contract beide Transaktionen der Tauschparteien erhalten hat, wickelt er den Trade automatisiert ab.
IST FÜR DEN BETRIEB EINES DECENTRALIZED EXCHANGE EINE BAFIN LIZENZ ERFORDERLICH?
Die Frage, ob und wie ein Decentralized Exchange nach deutschem Bankaufsichtsrecht reguliert wird hängt stark von der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall ab. In einer Konstellation, in der der den Decentralized Exchange darstellenden smart contract von einem bestimmbaren Administrator betrieben wird bleibt zwar der Vorteil erhalten, dass dieser Administrator die Kryptowährungen seiner Kunden für die Tradeabwicklung nicht auf eigenen Blockchain Wallets empfangen muss. Gleichwohl betreibt er im Zweifel mit dem smart contract ein multilaterales Handelssystem, weil er die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Kryptowährungen und damit Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen über seinen smart contract zusammenbringt. Diese Tätigkeit ist in Deutschland ohne die vorherige Einholung einer BaFin Lizenz nicht gestattet. Notwendigerweise erlaubnisfrei wäre aber wohl ein Decentralized Exchange, der vollständig über ein open-source Projekt realisiert werden würde, da es in dieser Konstellation keinen zentralen Administrator gäbe. So ein open-source Decentralized Exchange würde die ursprüngliche Idee der Dezentralität von Satoshi Nakamoto wieder aufnehmen.
HAT DER BETRIEB EINES DECENTRALIZED EXCHANGE FÜR DEN ANBIETER AUCH REGULATORISCHE VORTEILE?
Die Dezentralität einer Kryptobörse schützt nicht nur die Kryptowährungsguthaben der Kunden vor dem Insolvenzrisiko der Kryptobörse. Auch für den Anbieter der Tauschbörse können sich im Einzelfall erhebliche Vorteile gegenüber einer zentralistischen Lösung ergeben. Denn auch der Anbieter profitiert davon, wenn er die Kryptobestände der Kunden nicht auf eigenen Wallets mit eigenen private keys sicher verwahren und gegen Hackerangriffe sichern muss. Zentrale Kryptobörsen müssen für einen erfolgreichen Antrag auf Erteilung einer BaFin Erlaubnis plausibel darlegen, wie sie mit den zusätzlichen Risiken aus einer Verwahrung von Kundenguthaben umgehen und welche Maßnahmen und Unternehmensprozesse bestehen, um den Risiken zu begegnen. Auch die Anforderungen an das erforderliche Anfangskapital von Kryptobörsenbetreibern können bei zentralisierten Lösungen höher sein als bei dezentralen Lösungen. Verwahrt der Betreiber eines multilateralen Handelssystems beispielsweise Security Token für seine Kunden auf eigenen Wallets, muss er statt eines Anfangskapitals von 50.000 Euro einen Betrag von mindestens 125.000 Euro nachweisen. Auch im Hinblick auf den aktuellen Entwurf des Finanzministeriums zur Umsetzung der fünften Geldwäscherichtlinie sind Decentralized Exchanges interessant. Die dort vorgeschlagene neue Finanzdienstleistung des Kryptoverwahrgeschäfts würde von Anbietern dezentralisierter Kryptobörsen nicht erfüllt werden.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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