Mit der Veröffentlichung des ersten Bitcoin-Clients Anfang 2009 und der Verifizierung des ersten Blocks der Bitcoin-Blockchain wurde die erste Kryptowährung der Welt Realität. Die disruptive Innovation einer unmittelbar zwischen Nutzern ohne die Zwischenschaltung einer zentralen Abwicklungsinstanz übertragbaren Werteinheit hatte das Potenzial der Umgehung des traditionellen Finanzsystems im Zahlungsverkehr und rief daher kurz nach der Bankenkrise der Jahre 2008/2009 nicht nur technische Begeisterung, sondern bei Banken, Regierungen und Aufsichtsbehörden auch Bedenken aus. Man sah die Gefahr der Nutzung von Kryptowährungen insbesondere für Geldwäscheaktivitäten, Terrorismusfinanzierung, Betrugsstraftaten und sonstige kriminelle Transaktionen. In Deutschland stufte die für die Beaufsichtigung von Banken und Finanzinstituten zuständige BaFin Bitcoins und mit ihnen vergleichbare Kryptowährungen daher schon in 2013 öffentlich als Rechnungseinheiten ein, bei denen es sich nach dem deutschen Kreditwesengesetz (KWG) um regulierte Finanzinstrumente handelt. Für die Bundesrepublik war damit sichergestellt, dass der geschäftliche Umgang mit Kryptowährungen in den meisten Fällen eine Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen der BaFin erforderte.
WAS SIND RECHNUNGSEINHEITEN UND WELCHE KRYPTOWÄHRUNGEN FALLEN DARUNTER?
Nach der Verwaltungspraxis der BaFin sind Rechnungseinheiten mit Devisen vergleichbare und nicht auf gesetzliche Zahlungsmittel lautende Werteinheiten wie Komplementärwährungen, die nur regional oder in privaten Verrechnungskreisen als Zahlungsmittel eingesetzt werden. Für die aufsichtsrechtliche Qualifikation einer Werteinheit als Rechnungseinheit kommt es nach Ansicht der BaFin nicht auf die Existenz eines zentralen Emittenten an, der die Einheiten ausstellt. Erfasst von der Verwaltungspraxis sind nach diesen Kriterien daher neben Bitcoin nur solche Kryptowährungen, die nach dezentral ausgestaltet sind und auch als alternatives Zahlungsmittel eingesetzt werden sollen. Das trifft zwar auf viele Kryptowährungen zu. Es existieren jedoch auch zahlreiche Blockchaineinheiten, die nicht als Zahlungsmittel, sondern beispielsweise als Zugangsberechtigung oder als Anlagevehikel konzipiert sind.
SEIT JANUAR 2020 KRYPTOWERTE NEUE KATEGORIE VON FINANZINSTRUMENTEN
Nachdem im Herbst 2018 das Berliner Kammergericht in einem Strafverfahren und deshalb ohne Rechtswirkung für die BaFin urteilte, dass die Einordnung von Bitcoins als Rechnungseinheiten rechtlich nicht haltbar sei, entschloss sich der deutsche Gesetzgeber mit Wirkung zum Januar 2020 eine neue Kategorie von Finanzinstrumenten in das KWG einzuführen. Seither sind Kryptowerte digitale Darstellungen eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann. Kryptowerte können demnach auch und gerade im Fall von Anlagezwecken dienenden Blockchaineinheiten vorliegen.
WELCHE ROLLE SPIELT DIE VERWALTUNGSPRAXIS ZU KRYPTOWÄHRUNGEN ALS RECHNUNGSEINHEITEN NOCH NACH EINFÜHRUNG VON KRYPTOWERTEN?
Die Bundesregierung hat in der Gesetzesbegründung bei der Einführung von Kryptowerten ausdrücklich betont, dass sie die Einordnung von Kryptowährungen als Rechnungseinheiten für zulässig hält. Und tatsächlich kann die Qualifikation einer Blockchaineinheit im Einzelfall auch nach der Regulierung von Kryptowerten als Finanzinstrumente noch eine Rolle spielen. Denn Kryptowerte liegen nach ausdrücklicher Anordnung im KWG nicht vor, sofern das betreffende Instrument bereits als E-Geld einzuordnen ist oder wenn es lediglich in begrenzten Händlernetzen oder zum Erwerb nur bestimmter Waren oder Dienstleistungen zur Zahlung eingesetzt werden kann. In diesen Ausnahmefällen können Blockchaineinheiten weiterhin als Finanzinstrumente in Form von Rechnungseinheiten einzuordnen sein, da die BaFin sowohl E-Geld-Einheiten als auch Bezahleinheiten in begrenzten Verrechnungskreisen als Rechnungseinheiten ansieht. Diese Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörde ist zwar fragwürdig, insbesondere im Hinblick auf die speziell regulierten E-Geld-Einheiten. Sie ist jedoch nach wie vor für den Wirtschaftsverkehr maßgeblich und muss daher beachtet werden.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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