Mit der Kapitalmarktunion möchte die Europäische Kommission den freien Kapitalfluss innerhalb der Europäischen Union weiter fördern und ausbauen. Seit 2015 wurden zahlreiche Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels angestoßen und teilweise bereits umgesetzt. Die bereits im letzten Jahr in Kraft getretene EU-Prospektverordnung schafft beispielsweise einen einheitlichen europäischen Rahmen für die Erstellung und Billigung von Wertpapierprospekten für Wertpapieremissionen auf dem europäischen Kapitalmarkt. Die Anforderungen an den Inhalt sowie den Billigungsprozess für Wertpapierprospekte wurden durch die neue Verordnung weitgehend vereinheitlicht. Wertpapieremittenten haben zudem über das Vehikel des EU-Passportings die Möglichkeit, ihren in einem Mitgliedstaat gebilligten Wertpapierprospekt auch in anderen europäischen Mitgliedstaaten für das erste öffentliche Angebot ihrer Wertpapiere nutzen zu können. Natürlich gilt die Verordnung ebenfalls für das erste öffentliche Angebot von Wertpapieren, die entmaterialisiert in Form von sogenannten Security Token repräsentiert werden.
EMITTENTEN VON SECURITY TOKEN KÖNNEN ZUSTÄNDIGE AUFSICHTSBEHÖRDE FREI WÄHLEN
Auch für Emittenten von Security Token stellt sich deshalb stets die Frage, bei welcher europäischen Aufsichtsbehörde der für das Offering erforderliche Wertpapierprospekt zur Billigung eingereicht werden sollte. Diesbezüglich sind Emittenten in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei. Sie haben die Wahl zwischen der Aufsichtsbehörde ihres Sitzstaates oder jeder sonstigen Kapitalmarktaufsichtsbehörde innerhalb der Europäischen Union. Darüber hinaus können Wertpapierprospekte sogar bei Aufsichtsbehörden des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gebilligt werden, um dann im Wege des EU-Passportings die im Prospekt beschriebenen Security Token in anderen europäischen Ländern Anlegern zum Erwerb anbieten zu können. Doch welche Aufsichtsbehörde ist die richtige Wahl für STO-Emittenten? Welche Kriterien sollten Unternehmen bei der Auswahl beachten?
PASSENDE AUFSICHTSBEHÖRDE HÄNGT VOM PROJEKT AB
Die rechtlichen Vorschriften zum Inhalt und zum Billigungs- und Hinterlegungsprozess sind in allen Staaten des EWR seit Inkrafttreten der EU-Prospektverordnung gleich. Zur Auslegung der Verordnung veröffentlichte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zudem insgesamt zwölf Leitlinien, beispielsweise zur Überprüfung der Darstellung der Risikofaktoren in Wertpapierprospekten, die von allen europäischen Aufsichtsbehörden im Rahmen von Prospektbilligungsverfahren zu beachten sind. Die Wahl der passenden Aufsichtsbehörde für die Billigung wird daher nicht an rechtlichen, sondern an tatsächlichen Kriterien entschieden. Sollen etwa ausschließlich in einem Mitgliedstaat des EWR Anleger mit dem Security Token Offering angesprochen werden, spart die Durchführung des Billigungsverfahrens bei der Aufsichtsbehörde des betreffenden Landes die Veranlassung eines EU-Passportings und die damit verbundene Übersetzung der Prospektzusammenfassung, falls das Zielland eine abweichende Amtssprache hat und beispielsweise eine englische Fassung des Prospekts nicht ausreichen lässt. Die weit verbreitete Annahme, dass die Prospektbilligung in einigen Staaten länger oder kürzer dauert, kann in dieser Pauschalität jedenfalls nicht bestätigt werden. Entscheidend ist insoweit die Komplexität des avisierten Kapitalmarktprojekts und die an den Tag gelegte Sorgfalt im Rahmen der Prospekterstellung durch den Emittenten und seine Berater. Für Billigungsverfahren für Security Token Offerings empfiehlt sich aber die Auswahl einer Behörde, die jedenfalls eine gewisse Erfahrung mit blockchain-basierten Kapitalmarktemissionen vorweisen kann.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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