Über eine Schwarmfinanzierung können Emittenten Wertpapiere mit einem Emissionsgegenwert von nicht mehr als EUR 5 Mio. über einen Zeitraum von 12 Monaten nach der European Crowdfunding Service Provider Verordnung (ECSP) bei Einschaltung eines öffentlich zugänglichen, internetbasierten, von einem Schwarmfinanzierungsdienstleister betriebenen oder verwalteten elektronischen Informationssystem (Schwarmfinanzierungsplattform) begeben. Auch tokenisierte Finanzinstrumente können, wenn sie als Wertpapiere qualifizieren, über eine Schwarmfinanzierungsplattform begeben werden. Eine Verbriefung in Form einer Urkunde, die bei klassischen Wertpapieren die Verkehrsfähigkeit von Finanzinstrumenten sicherstellt, ist für die Einordnung eines Tokens als Wertpapier nicht erforderlich. Für die Einordnung eines Finanzinstruments als Wertpapier bedarf es vielmehr lediglich der Übertragbarkeit, der Handelbarkeit am Finanzmarkt und der Ausstattung mit wertpapierähnlichen Rechten. In ihrem Anwendungsbereich geht die ECSP Verordnung den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) vor, weshalb bei einem über eine Schwarmfinanzierungsplattform erfolgenden öffentlichen Angebot von Wertpapieren kein Wertpapierinformationsblatt (WIB) oder Wertpapierprospekt erstellt werden muss.
Anlageinformationsblatt nach ECSP Verordnung bei Emission über Schwarmfinanzierungsplattform erforderlich
Die Hauptpflicht eines Emittenten bei der Begebung von Wertpapieren über eine Schwarmfinanzierungsplattform ist die Erstellung von einem Anlagebasisinformationsblatt. Dieses muss auf einem eigenständigen, dauerhaften Datenträger bereitgestellt werden, der deutlich von Marketingmitteilungen unterscheidbar ist. Zudem darf es in gedruckter Form höchstens sechs Seiten im DIN-A4-Format umfassen. Eine Billigung durch die BaFin ist nicht nötig. Die ECSP Verordnung legt dem Schwarmfinanzierungsdienstleister die Pflicht auf, angemessene Verfahren zur Überprüfung der Vollständigkeit, Richtigkeit und Klarheit der im Anlagebasisinformationsblatt enthaltenen Angaben einzurichten und diese anzuwenden. Wenn der Schwarmfinanzierungsdienstleister seine Dienstleistungen auch in Mitgliedstaaten außerhalb Deutschlands anbietet, können Wertpapiere auf der Grundlage des Anlageinformationsblattes in allen Mitgliedstaaten der EU angeboten werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das Anlagebasisinformationsblatt in der Amtssprache des jeweiligen Mitgliedstaats oder in einer von den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats akzeptierten Sprache den Anlegern zur Verfügung gestellt wird.
Haftung des Emittenten für Anlagebasisinformationsblatt soll eingeschränkt werden
Nach dem derzeitigen Haftungsregime des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) haften der Emittent und die für das Anlagebasisinformationsblatt verantwortlichen Mitglieder seiner Leitungsorgane für irreführende oder unrichtige Informationen im Anlagebasisinformationsblatt oder für wichtige Informationen, die nicht angegeben, aber erforderlich sind, um Anleger bei ihrer Entscheidung zu unterstützen, ob sie in einem Schwarmfinanzierungsprojekt anlegen wollen. Dabei reicht nach aktuellem Recht schon einfache Fahrlässigkeit aus. Fahrlässig handelt, wer bei der Erstellung von dem Anlagebasisinformationsblatt und dessen Inhalt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Der jüngst veröffentlichte Referentenentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz des Bundesfinanzministeriums sieht nun jedoch vor, dass der Haftungsmaßstab auf grobe Fahrlässigkeit angehoben werden soll. Es ist auch vorgesehen, dass die direkte Haftung der Leitungsorgane für ein Anlagebasisinformationsblatt aus dem WpHG entfernt werden soll. Für fehlerhafte oder fehlende Anlageinformationsblätter würde dann im Wesentlichen nur noch der Emittent selbst haften. Die Möglichkeit der Schwarmfinanzierung dürfte dadurch für Anbieter von Anlageprodukten in Zukunft deutlich attraktiver werden.
Rechtsanwalt Dr. Konrad Uhink
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