Gerade hatte die europäische Kryptobranche den Angriff der Fraktionen von Grünen, Sozialdemokraten und Linken auf den PoW-Konsensmechanismus mit knapper Mehrheit abgewendet, schon droht der nächste Krimi. Zur anstehenden Neufassung der EU-Geldtransferverordnung hatte es im EU-Parlament einen Änderungsvorschlag gegeben, der neben der Verpflichtung von Kryptodienstleistern in der Union künftig bei allen ein- und ausgehenden Kryptotransaktionen die Identität der Inhaber der beteiligten Kryptowallets festzustellen und zu verifizieren auch die Pflicht vorsieht, dass Kryptodienstleister keine Transfers von Kryptowerten an Wallets ermöglichen dürfen, die diese Identifizierungsmaßnahmen nicht zulassen. Der Regulierungsvorschlag soll anonyme Transaktionen mit Kryptowerten in der Europäischen Union im regulierten Finanzsystem verhindern. Insbesondere soll Geldwäschern, Terrorismusfinanzierern und sonstigen unredlichen Marktteilnehmern die Möglichkeit genommen werden, Vermögenswerte in Kryptowerten zu verschieben und anschließend in das regulierte Finanzsystem überführen zu können. Da Tauschbörsen für Kryptowerte ab Inkrafttreten der neuen Markets in Crypto Assets Verordnung (MiCA) in ganz Europa beaufsichtigte Institute sein werden, wird bei Umsetzung des Vorschlags etwa eine Konvertierung von Krypto in Fiatgeld über Kryptotauschplattformen Nutzern nur noch bei vollständiger Preisgabe der Identifizierungsdaten möglich sein.
EU-Parlament nimmt den Änderungsvorschlag an – Trilogverhandlungen stehen noch aus
Das EU-Parlament hat in der letzten Woche über die Neufassung der EU-Geldtransferverordnung abgestimmt und mit knapper Mehrheit für den Änderungsvorschlag gestimmt. Noch ist damit zwar das Inkrafttreten der neuen EU-Geldtransferverordnung nicht endgültig beschlossen, denn der Entwurf muss auch noch in den sogenannten Trilogverhandlungen zwischen dem EU-Parlament, der EU-Kommission und dem Rat der Europäischen Union verhandelt und angenommen werden. Würde die Verordnung in der aktuellen Fassung übernommen und verabschiedet, befürchtet die europäische Kryptobranche, dass die Nutzung von Kryptowerten in weiten Teilen in Europa nur bei Nutzung der zugelassenen und beaufsichtigten Kryptodienstleister möglich wäre. Diese sähen sich einem enormen administrativen Aufwand ausgesetzt, weil sie sämtliche Transaktionsbeteiligte stets ordentlich identifizieren und überprüfen müssten. Besonders für sogenannte unhostet Wallets, also solche Kryptowallets, die nicht bei einem zugelassenen Anbieter geführt, sondern privat oder dezentral betrieben werden, wäre die neue Regulierung ein potenzieller Showstopper für die Verknüpfung des zentralisierten Finanzsystems mit dem dezentralen Kryptomarkt.
Was würden die neuen Regularien für private unhostet Wallets bedeuten?
Im Hinblick auf privat geführte Wallets dürfte es Anbietern aber auch bei Verabschiedung des Vorschlags weiter möglich sein, die jeweilige Privatperson zu identifizieren und seine Identität zu überprüfen. Die Eigenverwahrung von Kryptowerten wäre damit also nicht zwangsläufig in Gefahr. Dennoch würde es natürlich in praktischer Hinsicht möglicherweise für viele Anbieter ein zu großer und kostspieliger Aufwand, jedes private Wallet zu identifizieren und zu überprüfen. Sie könnten gegebenenfalls die Geschäftsentscheidung treffen, Transaktionen mit unhosted Wallets generell nicht anzubieten. Kryptonutzer könnten hierdurch faktisch gezwungen werden, zugelassene Kryptoverwahrer nutzen zu müssen, was insbesondere vor dem Grundsatz „not your keys – not your cryptos“ die Eingehung eines zusätzlichen Drittparteirisikos bedeuten würde. Im Ergebnis würde der Kryptomarkt abermals durch die Regulierung in erheblichem Maße zentralisiert. Die technische Innovation der Blockchain-Technologie der dezentralen Transaktionen ohne zwingende Einbindung von Dienstleistern bliebe dabei auf der Strecke.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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