Auf ihre letzten Tage verabschiedete die große Koalition mit der Kryptowertetransferverordnung des Bundesfinanzministeriums Ende September 2021 eine weitere Regulierung für die deutsche Kryptobranche. Die Rechtsverordnung sieht umfassende Pflichten für Kryptowertedienstleister vor, die an Transaktionen mit Kryptowerten beteiligt sind. Die Pflichten orientieren sich im Wesentlichen an den Pflichten, die Zahlungsdienstleistern nach der europäischen Geldtransferverordnung (EU/2015/847) auferlegt werden. Danach sind Banken und sonstige Zahlungsdienstleister verpflichtet, bei der Mitwirkung an Transaktionen von Fiatgeld detaillierte Informationen über den Auftraggeber und den Begünstigten der Transaktionen erheben, speichern und zu übermitteln. Hintergrund der Verordnung ist das Anliegen der vor der Ablösung stehenden Bundesregierung, die von der Financial Action Task Force (FATF) bereits im Jahr 2019 ausgesprochene sog. Travel Rule umzusetzen. Die FATF empfiehlt der internationalen Staatengemeinschaft, Kryptowertedienstleister zur Erhebung, Speicherung und Übermittlung von Daten der Auftraggeber und der Begünstigten in Bezug auf Kryptotransaktionen zu verpflichten.
Kryptowertetransferverordnung trotz massiver Kritik aus dem Markt in Kraft getreten
Im Rahmen der sehr kurzen Konsultationsfrist von nur zweieinhalb Wochen wurde erhebliche Kritik am Entwurf aus dem deutschen Kryptomarkt laut, die das Inkrafttreten der Kryptowertetransferverordnung jedoch nicht verhindern könnte. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass es im Hinblick auf das in der Verordnung vorgesehene Inkrafttreten am 1. Oktober 2021 für die betroffenen Kryptowertediensteleister unmöglich sein werde, die Pflichten nach der Verordnung fristgerecht umzusetzen. Während die sich für den klassischen Fiatzahlungsverkehr ergebenden Erhebungs-, Speicherungs- und Übermittlungspflichten aus der EU-Geldtransferverordnung in den jeweiligen Core Banking Systemen (CBS) der Zahlungsdienstleister berücksichtigt werden und technische Lösungen vorhanden sind, gibt es für die Erfüllung der Pflichten aus der Kryptowertetransferverordnung aktuell noch keine einsetzbaren technischen Hilfsmittel. Für deren Entwicklung war der Zeitraum von sechs Tagen bis zum Inkrafttreten der Verordnung schlicht zu kurz bemessen. Ein weiterer sehr ernst zu nehmender Kritikpunkt war das Argument, dass die EU-Kommission im Sommer 2021 – also vor Inkrafttreten der Kryptowertetransferverordnung – bereits einen Entwurf für die Ausweitung der Pflichten nach der EU-Geldtransferverordnung auf Kryptowertetransfers vorgestellt hatte. Es war deshalb bereits im Moment des Inkrafttretens der Kryptowertetransferverordnung klar, dass die deutsche Regulierung von Beginn an ein Auslaufmodell für einen überschaubaren Zeitraum bis zum Inkrafttreten einer europäischen Regulierung sein würde. Deutsche Kryptowertedienstleister werden nun im Vergleich mit ihren europäischen Wettbewerbern durch den erheblichen administrativen Mehraufwand durch die Kryptowertetransferverordnung massiv benachteiligt.
BaFin stellt Formular für Inanspruchnahme von Ausnahmeregelung zur Verfügung
Um den Marktteilnehmern die Möglichkeit zu geben, die Pflichten aus der Kryptowertetransferverordnung ordnungsgemäß umsetzen zu können, fügte das Bundesfinanzministerium in die Verordnung eine Übergangsregelung ein. Danach können betroffene Kryptowertedienstleister, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung bereits in Kryptotransaktionen involviert waren, der BaFin bis zum 30. November 2021 anzeigen, dass sie die Bestimmungen der Verordnung unverschuldet nicht oder nicht vollständig erfüllen können. Für diese Anzeige stellte die BaFin in der letzten Woche in Formular zur Verfügung, in dessen Anhang sich auch Hinweise für eine nach der Ausnahmeregelung bis spätestens zum 31. Dezember 2021 nachzureichende Begründung finden. Ein valider Grund ist danach beispielsweise das Fehlen einer technischem Umsetzungsmöglichkeit. Kryptowertedienstleister sollen jedoch belegen, dass sie sich um die Schaffung technischer Lösungen ernsthaft bemühen, beispielsweise durch eine Mitarbeit an der Entwicklung technischer Lösungen in Fachverbänden. Die Ausnahmeregelung kann Kryptowertedienstleister bis zu zwölf Monate von den Pflichten nach der Kryptowertetransferverordnung befreien. Anschließend sieht de Verordnung eine Verlängerungsmöglichkeit um weitere zwölf Monate vor. Bei voller Ausschöpfung dieser Übergangsregeln könnten Kryptowertedienstleister je nach Tempo des europäischen Verordnungsgebers möglicherweise um die Erfüllung der deutschen Kryptowertetransferverordnung herumkommen. Denn sollte die Neufassung der EU-Geldtransferverordnung schon in den kommenden zwei Jahren in Kraft treten, wird sie gegenüber nationalstaatlichen Regulierungen Vorrang haben. Es ist daher möglich, dass die Kryptowertetransferverordnung der großen Koalition sich am Ende als ein teurer und weitestgehend sinnloser letzter Papiertiger entpuppen wird. Nur Unternehmen, die nach Verstreichen der Anzeigefrist aktiv werden, schauen in die Röhre und werden die Pflichten aus der Verordnung direkt erfüllen müssen.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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