Als der europäische Richtliniengeber im Zuge seiner fünften Anti-Geldwäscherichtlinie für das erste Stück kodifizierter Regulierung im Kryptomarkt sorgte, entschied er sich für den Begriff der virtuellen Währungen, um Bitcoin, Litecoin und ähnliche blockchain-basierte Werteinheiten zu erfassen. Bei der erforderlichen Umsetzung der Vorgaben der fünften Anti-Geldwäscherichtlinie in nationales Recht sah der deutsche Gesetzgeber dennoch von der Einführung einer Definition virtueller Währungen in das Geldwäschegesetz ab und führte stattdessen mit dem Begriff der Kryptowerte eine eigene Definition in das Kreditwesengesetz (KWG) ein, mit der möglichst sämtliche Blockchainphänomene erfasst werden sollten. In Deutschland sind Kryptowerte daher seit dem 1. Januar 2020 Finanzinstrumente nach dem KWG. Sie werden definiert als digitale Darstellungen eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann. Ausgenommen hat der deutsche Gesetzgeber von seiner Definition E-Geld-Instrumente sowie digitale Zahlungsmittel, die nur in begrenzten Ökosystemen einsetzbar sind. Deutschland ging damit einen eigenständigen Weg, der einer Harmonisierung der europäischen Kryptoregulierung nicht gerade zuträglich war.
EU-KOMMISSION GREIFT DEN BEGRIFF DER KRYPTOWERTE IM ENTWURF ZUR MICA-VERORDNUNG AUF
Mit ihrer Veröffentlichung des Pakts zur Digitalisierung des Finanzmarkts im September 2020 legte die EU-Kommission zugleich einen Entwurf für eine einheitliche, europaweite Regulierung des Kryptomarktes vor. Mit der Markets in Crypto Assets Regulation (MiCA) möchte sie für einheitliche Erlaubnispflichten für kryptobezogene Geschäftsmodelle innerhalb der Union und darüber hinaus für eine angemessene Regulierung der Schaffung und des Angebots von Kryptotoken und Stable Coins sorgen. Die MiCA-Verordnung würde unmittelbar innerhalb der Europäischen Union für alle Marktteilnehmer gelten und müsste nicht wie Richtlinien zunächst in nationales Recht übertragen werden, um Rechtswirkung zu entfalten. Für die Zwecke der MiCA-Verordnung schlug die EU-Kommission auch eine Definition des Begriffs von Kryptowerten vor. Jedoch unterschiedet sich die Definition erheblich von dem Begriff, den der deutsche Gesetzgeber gerade erst zum Jahresbeginn in das KWG aufgenommen hat. Nach MiCa würden Kryptowerte digitale Darstellungen von Werten oder Rechten sein, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können. Flankierend zum Begriff des Kryptowertes würde MiCA auch eine Definition des Begriffs „Distributed-Ledger-Technologie“ vorsehen und zudem nach dem aktuellen Entwurf Unterkategorien von Kryptowerten schaffen. Diese Unterkategorien wären wertreferenzierende Token, E-Geld-Token, Utility-Token und sonstige Krypotowerte. Für die drei erstgenannten Erscheinungsformen sieht der MiCA-Entwurf ebenfalls Definitionen vor.
WO LIEGEN DIE WICHTIGSTEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEN DEFINITIONEN VON KRYPTOWERTEN DES KWG UND DES MICA-ENTWURFS?
Schon auf den ersten Blick unterscheiden sich die Definitionen erheblich in ihrer Länge. Während die MiCA-Definition sich je nach konkreter Ausgestaltung des Kryptowerts weiterführender Unterdefinitionen bedient, versucht die deutsche Lösung, für alle Erscheinungsformen eine einheitliche Definition zu formulieren. Doch auch inhaltlich sind die Ansätze unterschiedlich. Etwa die Bezugnahme der deutschen Definition auf eine fehlende Ausgabe durch öffentlich legitimierte Stellen wie eine Zentralbank und des Weiteren auf eine potenzielle Nutzungsmöglichkeit als Zahlungsmittel oder Anlagevehikel fehlen im Vorschlag der MiCA-Verordnung. Letztere ergeben sich vielmehr aus den konkretisierenden Unterdefinitionen. Die europäische Lösung erscheint deshalb gegenüber der deutschrechtlichen Lösung überlegen. Sie ist deutlich besser geeignet, den Besonderheiten und der Vielfältigkeit der Einsatzmöglichkeiten von Distributed-Ledger-Technologien gerecht zu werden. Der deutsche Gesetzgeber dürfte sich demgegenüber zeitnah wieder von seinem Sonderweg in der Kryptoregulierung verabschieden müssen.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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