Mit der Billigung des ersten Wertpapierprospektes für ein Security Token Offering hat die BaFin zu Beginn dieses Jahres für einen kapitalmarktrechtlichen Paukenschlag gesorgt. Die Behörde zeigt sich innovationsoffen und auch der deutsche Gesetzgeber bringt sich bereits in Stellung, um die Emission von Security Token in Zukunft zu erleichtern. Das Bundesfinanzministerium und das Verbraucherschutzministerium haben dazu im März 2019 ein Eckpunktepapier veröffentlicht, in dem sie die aus ihrer Sicht wichtigsten Problemfelder bei der Umsetzung von Security Token Offerings nach deutschem Recht aufzeigen und Lösungsvorschläge zur öffentlichen Diskussion stellen. Das Phänomen der blockchain-basierten Kapitalmarktemission bietet endlich die lang ersehnte Gelegenheit, die in die Jahre gekommene deutsche Schuldverschreibungsregulierung und das zugehörige Zivilrecht an die technischen und digitalen Möglichkeiten unserer Zeit anzupassen.
SETZEN WERTPAPIERE NACH DEUTSCHEM RECHT PAPIERURKUNDEN VORAUS?
Das deutsche Wertpapierrecht hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Der Gesetzgeber hat es über viele Jahrzehnte versäumt, das materielle Wertpapierrecht an die aktuellen technischen Gegebenheiten anzupassen. Der Markt behalf sich deshalb damit, die heutzutage eigentlich gängige elektronische Übertragung von Wertpapieren mit Konstruktionen von mittelbaren Wertpapierverwahrungen und Übertragungsanweisungen rechtlich zu fingieren, wobei am Ende stets eine Sammelurkunde in Papierform existiert, in der die Rechte aus dem Wertpapier verbrieft sind. Dass jedoch auch Wertpapiere ohne Papierurkunde nach deutschem Recht zumindest nach Auffassung der BaFin möglich sind, zeigt die genannte Billigung des Wertpapierprospekts für das Security Token Offering, bei dem die einzelnen Wertpapiere ausschließlich in Form von Token eines Smart Contracts auf der Stellar Blockchain existieren. Für beide Meinungen gibt es Argumente und eine eindeutige Klärung könnte letztlich nur durch eine definitive gesetzgeberische Klarstellung herbeigeführt werden.
WAS IST INVESTORENMITBESTIMMUNG NACH DEM SCHULDVERSCHREIBUNGSGESETZ?
Emittenten entscheiden sich in der Regel für das Angebot einer Schuldverschreibung wie zum Bespiel eines Genussrechts, wenn sie keine Mitbestimmung der Anleger wollen. Schuldverschreibungsanleger bekommen nur vertragliche Ansprüche gegen den Emittenten wie eine feste oder variable Rendite und einen Rückzahlungsanspruch und können bei Unternehmensentscheidungen grundsätzlich nicht mitbestimmen. Es kann aber auch für Schuldverschreibungsemittenten Sinn machen, Anlegern Mitbestimmungsrechte einzuräumen. Nach dem deutschen Schuldverschreibungsgesetz können Emittenten entscheiden, dass per Mehrheitsbeschluss der Anleger die Wertpapierbedingungen einer Schuldverschreibung geändert werden können. Gerade bei Emittenten, die Schuldverschreibungen als Security Token anbieten wollen gibt durchaus Fälle, in denen diese Möglichkeit der Änderung der Token Bedingungen ein entscheidender Vorteil sein kann. Denn ohne die Möglichkeit von Mehrheitsänderungsbeschlüssen haben Emittenten von Security Token beispielsweise keine Möglichkeit, ihre Token Bedingungen an Gesetzesänderungen anzupassen. Auch eine Verlängerung der Laufzeit zur längerfristigen Finanzierung des Unternehmens und Verschiebung des Rückzahlungsanspruchs oder eine Anpassung der Rendite können ohne Mehrheitsbeschluss nicht erfolgen, da eine ansonsten erforderliche gleichlautende Einigung mit jedem einzelnen Security Token Inhaber utopisch ist.
IST DAS SCHULDVERSCHREIBUNGSGESETZ AUCH AUF EIN SECURITY TOKEN OFFERING ANWENDBAR?
Die beiden Ministerien gehen in ihrem Eckpunktepaper wie auch viele Autoren in der juristischen Literatur davon aus, dass das Schuldverschreibungsgesetz in seiner aktuellen Form nur auf Schuldverschreibungen anwendbar ist, die in einer Urkunde verbrieft sind. Sie berufen sich zur Begründung auf das sogenannte Skripturprinzip aus § 2 Schuldverschreibungsgesetz, nach dem sich die Anleihebedingungen einer Schuldverschreibung aus der Urkunde ergeben müssen. Sicherlich ist eine Änderung des Schuldverschreibungsgesetzes und die Abschaffung des Skripturgesetzes eine sinnvolle Maßnahme, allerdings kann man auch mit guten Argumenten vertreten, dass das Schuldverschreibungsgesetz bereits in seiner heutigen Form auf Schuldverschreibungen in Form von Security Token anwendbar ist. Denn bei der letzten Novellierung des Schuldverschreibungsgesetzes im Jahr 2009 stellte der damalige Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung ausdrücklich klar, dass er unabhängig von der Verbriefungsform alle Arten von Schuldverschreibungen erfassen wollte, die den Anlegern gleiche Rechte gewähren. Diese Argumentation des Gesetzgebers spricht dafür, dass auch blockchain-basierte Schuldverschreibungen in den Anwendungsbereich des Schuldverschreibungsgesetzes einbezogen sein sollen.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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