Bitcoins sowie mit ihnen vergleichbare Kryptowährungen sind nach der maßgeblichen Auffassung der BaFin in Deutschland Finanzinstrumente im Sinne des Kreditwesengesetzes. Für den Betrieb einer Kryptotauschbörse in Deutschland ist deshalb grundsätzlich eine BaFin Erlaubnis erforderlich. Doch was genau sind die Anforderungen, die es für die Erteilung einer solchen BaFin Lizenz zu erfüllen gilt und welche Gestaltungsmöglichkeit haben Unternehmen bei der Konzeption ihrer Kryptotauschplattform, um die zu erfüllenden Anforderungen an ihre Leistungsfähigkeit anzupassen? Der zweite Teil von FIN LAW‘s Blogreihe „Building a Crypto Exchange“ befasst sich mit der regulatorischen Variante des multilateralen Krypto Handelssystems und zeigt die wesentlichen Eigenschaften solcher Kryptobörsen sowie die für den legalen Betrieb in Deutschland wichtigsten zu erfüllenden Anforderungen auf.
WAS IST EIN MULTILATERALES KRYPRO HANDELSSYSTEM?
Der Betrieb eines multilateralen Handelssystems ist in Deutschland nach dem Kreditwesengesetz eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung. Es liegt vor bei dem Betrieb eines multilateralen Systems, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Wenn die über das System handelbaren Finanzinstrumente ausschließlich Kryptowährungen sind, liegt ein multilaterales Krypto Handelssystem vor. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal eines multilateralen Krypto Handelssystems gegenüber anderen regulatorischen Varianten von Kryptobörsen ist der „indiskretionäre“ Handel, also der automatisierte und anonymisierte Handel zwischen den Nutzern, deren Kauf- bzw. Verkaufsorder jeweils automatisiert durch das System des Betreibers zusammengebracht und ausgeführt werden. Die Nutzer des multilateralen Krypto Handelssystems wissen also nicht, mit welchem anderen Teilnehmer sie Kryptowährungen handeln. Die Lieferung erworbener Kryptowährungen an den Erwerber sowie die Übermittlung des Erwerbspreises an den Veräußerer übernimmt dabei ebenfalls der Betreiber, weshalb Nutzer vor Platzierung einer Order im System für ausreichend Guthaben in Kryptowährung bzw. Fiatgeld sorgen müssen.
WELCHE FINANZIELLEN MITTEL WERDEN FÜR EINE BAFIN LIZENZ BENÖTIGT?
Die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines multilateralen Krypto Handelssystems ist an eine Vielzahl von Anforderungen geknüpft. Welche Anforderungen genau zu erfüllen sind, hängt dabei von vielen Details ab und sollte deshalb sorgfältig im Vorfeld der Stellung des Erlaubnisantrags abgeklärt werden. Sofern der Betreiber zu keinem Zeitpunkt Gelder seiner Kunden über die eigenen Bücher laufen lässt, um die Kryptohandelsgeschäfte auf der Plattform abzuwickeln, muss der BaFin im Erlaubnisantrag ein Anfangskapital von mindestens 50.000 Euro nachgewiesen werden. Andernfalls ist ein Anfangskapital von mindestens 125.000 Euro erforderlich. Sofern der Betreiber des multilateralen Krypto Handelssystems selbst mit Finanzinstrumenten – zum Beispiel Kryptowährungen – handeln können möchte, beträgt das erforderliche Mindestanfangskapital sogar 730.000 Euro. Um das erforderliche Mindestanfangskapital gering zu halten empfiehlt es sich häufig, zugelassene Banken als Kooperationspartner für die Zahlungsabwicklung einzubeziehen.
WELCHE ANFORDERUNGEN WERDEN AN DIE UNTERNEHMENSTRAGENDEN PERSONEN GESTELLT?
Geschäftsleiter eines multilateralen Krypto Handelssystems müssen fachlich geeignet und zuverlässig sein. Sie sollten deshalb möglichst über einschlägige Berufserfahrung in leitender Position in einem vergleichbaren Unternehmen, jedoch zumindest über die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse verfügen, um ein multilaterales Krypto Handelssystem führen zu können. Die notwendige Zuverlässigkeit kann beispielsweise bei Vorstrafen oder negativen Einträgen im Gewerbezentralregister fehlen. Sie wird auch von allen Inhabern mit mehr als 10% Beteiligung an dem Unternehmen verlangt. Darüber hinaus erwartet die BaFin, dass die Geschäftsleiter hinreichend zeitlich verfügbar sind, um das Unternehmen sorgfältig und umsichtig führen zu können.
WELCHE WEITEREN UNTERLAGEN SIND FÜR DIE BAFIN ERLAUBNIS ERFORDERLICH?
Ein erfolgreicher Erlaubnisantrag setzt zudem unter anderem voraus, dass der Antragsteller einen tragfähigen Geschäftsplan vorweisen kann, aus dem neben der finanziellen Planung für die nächsten drei Geschäftsjahre auch die geplanten internen Kontrollverfahren zur Erfüllung aller gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten folgen, etwa zur Geldwäscheprävention, zur IT-Sicherheit und zum grundsätzlichen Riskmanagement. Die Inhaber und Geschäftsleiter müssen zudem Lebensläufe, Führungszeugnisse und eine Vielzahl weiterer Unterklagen einreichen. Auch die wichtigsten Verträge wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, Kundenverträge oder Verträge mit wesentlichen Kooperationspartnern sollten so weit möglich eingereicht werden. Je nach konkreter Art der Ausgestaltung des multilateralen Krypto Handelssystems und den beteiligten Inhabern und Geschäftsleitern können weitere Unterlagen und Erklärungen einzureichen sein. Eine sorgfältige Planung im Vorfeld ist deshalb zwingend erforderlich.
BESONDERHEITEN GEGENÜBER KLASSISCHEN MULTILATERALEN HANDELSSYSTEMEN
Die dargelegten Anforderungen sind auch von Antragstellern zu erfüllen, die ein multilaterales Handelssystem für andere Finanzinstrumente als Bitcoins und Kryptowährungen betreiben wollen. Multilaterale Krypto Handelssysteme haben ihnen gegenüber jedoch den regulatorischen Vorteil, dass die strengen Vorschriften zur Regulierung des Wertpapierhandels nicht auf Rechnungseinheiten und damit nicht auf Bitcoins und vergleichbare Kryptowährungen anwendbar sind. Solange die vom Betreiber eines multilateralen Krypto Handelssystems gelisteten Kryptowährungen nicht als Security Token oder sonstiges Finanzinstrument im Sinne der EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (MiFID II) qualifiziert werden können und nach der Verwaltungspraxis der BaFin deshalb nur als Rechnungseinheiten Finanzinstrumente darstellen, ist z.B. das Wertpapierhandelsgesetz auf multilaterale Krypto Handelssysteme nicht anwendbar. Während klassische multilaterale Handelssysteme deshalb beispielsweise keine privaten Anleger zum Handel zulassen dürfen, gilt diese Beschränkung für multilaterale Krypto Handelssysteme nicht.
Rechtsanwalt Lutz Auffenberg, LL.M. (London)
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Building a Crypto Exchange (Part I) – Welche regulatorischen Gestaltungsmöglichkeiten gibt es?
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